" Ich habe den Hang, den Leuten trockenes Brot zu bieten und das ist zu wenig,...zum Einstieg zumindest " ( Jürgen Rajh )



Soweit zum Einstieg in einen Text, der das Besondere, das Eigenartige an den Kachelöfen von Jürgen Rajh in Worte fassen soll. Ein Text, der ein Produkt in den Vordergrund rücken soll, dessen wesentlichste Eigenschaft in Zurückhaltung und Rücksichtnahme besteht.
Kurz gesagt, eine geradezu paradoxe Ausgangssituation, in die ich geraten bin, nachdem ich vor einiger Zeit in einem Gespräch mit einem gemeinsamen Freund einige Sätze über die Öfen von Jürgen Rajh verloren habe. Meine Beschreibung, in der ich versucht hatte, meine Faszination gegenüber diesen Heizobjekten zum Ausdruck zu bringen, hat augenscheinlich nachhaltigen Eindruck hinterlassen und stellt mich nun vor das Problem, den in der Zwischenzeit verlorengegangenen Wortlaut in Erinnerung zu rufen.
Was ist es nun, das mir diese Heizkörper - im unmittelbaren Sinn des Wortes - in einem besonderen Licht erscheinen läßt, das mich jedesmal mit Neugierde erfüllt, wenn ich die Bilder eines neuen Projekts zu sehen bekomme ? Tatsächlich sind es wohl eine Reihe von Gründen, die wohl nur zum Teil bis ins Bewußtsein kommen. Womit der erste wichtige Punkt bereits an die Oberfläche gedrungen wäre: Manche der Öfen haben eine Art von verhaltener Präsenz, deren höchste Qualität gerade darin besteht, daß man sie beim betreten des Raumes nicht sofort als Objekt, als determinierenden Bestandteil der Raumstruktur wahrnimmt. Man sieht sie nicht, man spürt sie. Selbst in ungeheiztem Zustand. Und gerade diese Qualität mag auf den ersten Blick als "zu wenig", als "trockenes Brot " erscheinen, stellt sich jedoch auf lange Sicht als äußerst wohltuende Zurückhaltung heraus. Wer möchte schon tatsächlich ein Leben lang täglich in seinem Wohnzimmer - einem der intimsten Bereiche - von einem zu Tode gestalteten Klotz beläßtigt werden, der das gesamte Umfeld dominiert, dem sich alles unterordnen muß ? Der möglicherweise aufgrund seiner formalen Opulenz anfangs als Bereicherung empfunden wurde, diesen Reiz jedoch innerhalb kurzer Zeit verloren hat und dann nicht mehr zu eliminieren ist? 

Ein Kachelofen ist in den meisten Fällen ein langfristiger Lebenspartner dessen hervorragendste Eigenschaften erst mit den Jahren sichtbar werden. Ein modisches Objekt, das sich der Wechselhaftigkeit des Zeitgeschmacks unterwirft, wird deshalb nur selten auf lange Sicht zum Wohlgefühl des Besitzers beitragen. Jürgen Rajh entwirft seine Öfen offenbar - das wahre Geheimnis kenne ich nicht - unter äußerster Rücksichtnahme auf die vorhandene architektonische Struktur und reduziert die formalen Eingriffe in das Raumgefüge in der Regel auf ein notwendiges Minimum.Es wäre naheliegend, diese Vorgehensweise aus dem " form follows function " Paradigma der Bauhaus-Bewegung abzuleiten,  insbesondere da sich die nüchterne Formensprache in manchen Punkten zu ähneln scheint. Darauf angesprochen, ob ich diese leicht verständliche Kategorisierung auch in meinem Text verwenden sollte ( oder dürfte ), reagiert Jürgen Rajh ablehnend und verweist darauf, das es heute wohl obsolet wäre, seine künstlerische Existenzberechtigung aus dem Bauhaus abzuleiten und die heutigen Themenstellungen diesen Horizont wohl bei weitem überschreiten müßten. Nichtsdestotrotz ist es wohl gerechtfertigt, davon zu sprechen, daß die Öfen, die er selbst im Gespräch oftmals als "Heizkisten" bezeichnet, sowohl aus einer ästhetischen wie auch funktionalen Raumstruktur abgeleitet erscheinen. Müßte man die Qualität dieser Objekte auf ein einziges Wort beschränken, wäre "Transparenz" wohl ein geeigneter Ausdruck.  In manchen Fällen erscheint es aufgrund der räumlichen Situation notwendig, ein Zentrum zu schaffen, einen Kern, an dem das Umfeld - vergleichbar der Logik mineralischer Gitterwerke - kondensieren kann.

Im Besonderen denke ich dabei an den von Oswald Tschirtner, einem der wichtigsten Proponenten des Künstlerhauses Gugging, gestalteten Ofen in der Werkstatt von Jürgen Rajh. In einem neutralen, beinahe eigenschaftslosen Raum entsteht hier eine Art Kraftzentrum von geradezu sakraler Dichte. Bezeichnenderweise wählt Rajh auch bei dieser Kooperation mit Tschirtner seinerseits eine zylindrische Vielecksform als Bildträger, um der Malerei Tschirtners den Vortritt zu lassen und die bekannten schreitenden Figuren nicht in ihrer Bewegung zu stören.
Sicherlich stellt sich in dem inzwischen zu unübersehbarer Größe angewachsenen Angebot den meisten Kunden die Frage, wieviel Kachelofen bekomme ich für mein Geld? In dieser Situation erliegen bedauerlicherweise viele Menschen - Bauherren ebenso wie Anbieter - dem Verlangen nach aufdringlicher optischer Präsenz. Diese Art, den Gegenwert über seine - ästhetische - Masse zu definieren, ist jedoch trügerisch und befriedigt letztlich vor allem das Bedürfnis, das viele investierte Geld auch in repräsentativer Form zur Schau tragen zu können.
  "Trockenes Brot" hat vor allem in unserem abendländischen Kulturkreis nicht nur die Bedeutung von "Wasser und Brot", sondern auch die Konnotation der Besinnung auf das Wesentliche. Und man muß nicht unbedingt Angehöriger einer jenseitsorientierten Glaubensgemeinschaft  oder der Bäckerinnung sein, um diese Qualität zu verstehen und zu schätzen. Auch wenn die "Wenigkeit" der "Heizkisten"  "...zum Einstieg zumindest" verblüfft, ist es der Mühe wert, sich darauf einzulassen. Es lohnt sich.

 

 Gebhart Blazek

 

“I have the tendency to offer people dry bread, and that’s not enough. Not at the first encounter, in any case.”(Jürgen Rajh)

 

So much for the introduction to a text that aims to put the special, even unique nature of Jürgen Rajh’s ceramic stoves into words. A text about a product whose main characteristics are restraint and modesty.In short, a paradox situation into which I have got myself, having recently expounded the merits of Jürgen Rajh’s stoves to a common friend. My description, in which I tried to lend expression to my fascination with these heating objects, had evidently left a lasting impression and now presents me with the problem of trying to recall what exactly it was that I had actually said.What is it, then, about these wood-burning stoves that they hold such a fascination for me, that fill me with a sense of curiosity whenever I get to see pictures of Jürgen’s latest project? The fact is, there are probably a number of reasons, some of which I may not even be consciously aware of. Which brings us to the first issue: Many of the stoves have a kind of restrained presence that lets them blend into the room, so that on entering one does not immediately perceive them as a distinct object, as a defining element of the room’s character. One does not so much see them as “feel” them, even when they are not in use. And it is precisely this special quality that may make them initially appear as “too little”, as “dry bread” but proves, on closer acquaintance, a refreshing departure from the all-too-common over-designed monoliths that can dominate an entire room, subordinating everything else within their range of influence. Impressing with their opulence at first, these latter stoves will soon lose their appeal but are, alas, permanent fixtures within the otherwise intimate confines of the living room.A wood-burning stove is like a life partner, a cohabitant whose positive character traits become increasingly apparent as time goes on. Rarely will a trendy designer piece pass the test of time, enduring the changes in contemporary taste and continuing to enhance its owners’ sense of wellbeing as time goes on. Although I do not know his exact secret, Jürgen Rajh, it seems to me, designs his stoves with a careful consideration of and respect for the existing architectural surroundings, taking great care to minimise his creations’ impact on the room’s feel and structure. This approach seemed to me reminiscent of the Bauhaus movement’s form-follows-function paradigm, especially as the sober designs appear to have certain similarities with the latter’s formal vocabulary. Asked whether I should (and, indeed, could) use this analogy in my text, Jürgen declined, stating that it was not justified today to base ones right to exist as an artist on an adherence to the Bauhaus style and that current thinking had to go far beyond Bauhaus philosophy. I do feel justified in observing, though, that the character of Jürgen’s stoves, which he himself often refers to as “heating boxes” in conversation, arise mainly from their aesthetic and functional qualities. If I had to summarise the feel of these objects in a single word, I guess “transparency” would fit.In some cases the room’s shape and layout calls for the creation of a focal point; a core around which the room’s fabric – like the lattice of a crystal – can take shape. In particular I am thinking here of the stove decorated by painter Oswald Tschirtner – one of the key proponents of the Gugging House of Artists near Vienna – that adorns Jürgen’s workshop. Within the context of this neutral room with almost no discerning character of its own, this stove is a powerful statement with an almost sacral character. In keeping with his philosophy, Jürgen has opted for a simple cylindrical polygon design in this collaborative work, which shows Tschirtner’s well-known walking figures to their best advantage and minimises the stove’s visual interference with the artist’s work.Customers can by now choose from a wide range of designs and most will be faced with the question, how much wood-burning heater do I get for my money? All too many people – both retailers and end users – succumb to the desire for an eye-catching visual design.This tendency to define the product’s value according to its aesthetic impact is deceptive and gratifies mainly the owner’s desire to highlight its monetary value.Especially in our western cultural sphere “dry bread” is associated not only with “bread and water” but carries the connotation of a reflection on the essential, on the bare necessities. One does not have to be an ascetic to understand and appreciate this quality. Even if the minimalism of Jürgen Rajh’s “heating boxes” may puzzle at first sight, it is worth taking a second, closer look at these unique objects and spending some time becoming acquainted with them.


Gebhart Blazek